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Beschlussauszug

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11. Sitzung der Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck in der Wahlperiode 2023 - 2028 vom 28.11.2024

Ö 2.1 Frage von Frau Dr. Kentsch zum Tagesordnungspunkt

Einwohner:innenfragestunde in der Sitzung der Bürgerschaft am 28.11.2024 Thema: Partnerschaftsgewalt und Täterarbeit

Status: öffentlich/nichtöffentlich

Beschlussart: zur Kenntnis genommen / ohne

 

Votum

 

 

Zeit:

16:00 - 22:20

Anlass:

Sitzung

Raum: Bürgerschaftssaal

     

Ort:

Rathaus, 23552 Lübeck

   

Vorlage: VO/2024/13692 Frage von Frau Dr. Kentsch zum Tagesordnungspunkt Einwohner:innenfragestunde in der Sitzung der Bürgerschaft am 28.11.2024 Thema: Partnerschaftsgewalt und Täterarbeit

Der Vorsitzende teilt mit, dass eine Einwohner: innenanfrage von Frau Dr. Kentsch zum Thema Partnerschaftsgewalt und Täterarbeit vorliegt. Er bittet Frau Dr. Kentsch ans Redepult um Ihre Frage zu verlesen.

Frau Dr. Kentsch verliest ihre Frage, die wie folgt lautet:

Welche Maßnahmen hat die Hansestadt Lübeck durchgeführt bzw. plant sie, zukünftig zu ergreifen, um das Thema Partnerschaftsgewalt und Täterarbeit noch präsenter ins öffentliche und politische Bewusstsein zu bringen, speziell, um die persönliche Verantwortlichkeit der Täter zu verdeutlichen und deren zukünftiges Verhalten positiv zu beeinflussen?

Der Bürgermeister, Herr Lindenau beantwortet die Frage wie folgt:

Der Hansestadt Lübeck ist das Thema Partnerschaftsgewalt sowohl in Bezug auf den Schutz gewaltbetroffener Frauen als auch hinsichtlich der Prävention und Bewusstseinsänderung wichtig. Die Wichtigkeit zeigt sich beispielsweise darin, dass die Hansestadt Lübeck bereits seit vielen Jahren dauerhaft die Finanzierung von 11 zusätzlichen Frauenhausplätze übernommen hat - eigentlich eine Landesaufgabe.

Im Bereich der öffentlichen Kampagnen zur Partnerschaftsgewalt beteiligt sich die Hansestadt Lübeck regelmäßig an der Fahnenaktion “Lübeck sagt: NEIN zu Gewalt an Frauen“ und der Beleuchtung öffentlicher Gebäude.

Gleichzeitig zeigen wir aber auch persönlich Gesicht und beziehen Stellung, wie bei der Veranstaltung in der MUK im letzten Jahr, der Schuhaktion im Rathaus in diesem Jahr, etc

Zudem ist das Frauenbüro Teil des Bündnisses „Lübeck wird orange“ und ist hier sehr aktiv in der Organisation und Durchführung der jährlichen gemeinsamen Veranstaltung des Bündnisses zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen.

Darüber hinaus organisiert das z.B. in diesem Jahr

  • das Gesundheitsamt eine Online-Veranstaltung zum Thema „Stalking – Wenn aus „Liebe“ Obsession wird“ mit der Politikwissenschaftlerin Dr. Katrin List am 27.11. und
  • das Frauenbüro am 6.12. eine Lesung zu dem Buch „Stille Gewalt. Wie der Staat Frauen allein lässt“ mit der Autorin Asha Hedayati.

Ebenso hat die Novemberausgabe des frauenpolitischen Newsletters des Frauenbüros jährlich das Schwerpunktthema Gewalt gegen Frauen, womit ein breites Publikum erreicht werden kann.

Das Thema Partnerschaftsgewalt stellt zudem einen eigenen Schwerpunkt beim kommunalpräventiven Rat der HL dar unter der Leitung der KIK-Koordinatorin, einer Mitarbeiterin des Frauennotrufs Lübeck.

Das Thema Partnerschaftsgewalt ist zudem Gegenstand einer Arbeitsgruppe des Kommunalen Präventionsrats (KPR) der Hansestadt Lübeck, welcher sich mit sicherheitsrelevanten Themen im persönlichen wie im öffentlichen Raum befasst und das Ziel einer frühzeitigen Prävention verfolgt. Durch abgestimmtes Handeln und das Verknüpfen von Zuständigkeiten arbeitet der KPR daran, mittel- und langfristige gefährliche und gefährdende Faktoren zu vermindern, um so die Sicherheit aller Lübecker:innen zu erhöhen. In fünf Arbeitsgruppen (AG 1 „Sicherheit im öffentlichen Raum“, AG 2 „Prävention im Kindesund Jugendalter“, AG 3 „Häusliche Gewalt“, AG 4 „Deliktbezogene Prävention“ und AG 5 „Demokratie leben – Vielfalt gestalten“) werden Lösungen und Maßnahmen erarbeitet, um präventiv Problemen vorzubeugen.

Die AG 3 „Häusliche Gewalt“ ist dabei ein seit vielen Jahren bestehender fester Arbeitskreis, der sich durch eine enge Zusammenarbeit unter den Mitgliedern und regelmäßige Treffen zum Thema auszeichnet. Die Leitung der AG wird durch die Koordinatorin des Kooperationsund Interventionskonzepts (KIK) Netzwerk bei häuslicher Gewalt (in Trägerschaft des Frauennotrufs Lübeck) gestellt (KIK Stellen in Schleswig-Holstein sind auf der Metaebene angesiedelt und explizit mit der Netzwerk-, Öffentlichkeit- und Fortbildungsarbeit befasst.)

Handlungsfelder und Mitglieder der AG:

  • Vernetzung aller mit dem Thema befassten Einrichtungen und Institutionen
  • Weiterentwicklung des regionalen Unterstützungssystems für von Gewalt betroffene Frauen (und Kindern)
  • Weiterentwicklung der Interventionskette und des Risikomanagements in Gefährdungssituationen
  • Sensibilisierung der Öffentlichkeit für geschlechtsspezifische Gewalt und Gewalt in der Partnerschaft durch Veranstaltungen oder Kampagnen
  • Stärkung der Handlungssicherheit von Fachkräften im traumasensiblen Umgang mit Betroffenen

Teilnehmer:innen der AG:

Frauenfachberatungsstellen und Frauenhäuser, Polizei, Staatsanwaltschaft, Familiengericht, Täter:innenarbeit, Rechtsmedizin, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe und Migrationsfachdienste (u.a.)

Die Hansestadt Lübeck bietet ein solides Unterstützungsnetzwerk für gewaltbetroffene Frauen, zu dem neben relevanten Behörden auch Beratungsstellen für Betroffene gehören. Im Rahmen der AG 3 Häusliche Gewalt des KPR (KIK Netzwerk bei häuslicher Gewalt) wird regelmäßig zu einem interdisziplinären Erfahrungsaustausch eingeladen. Ziel ist es, das Zusammenwirken von Behörden und weiteren Einrichtungen zu fördern und ein solides System des Opferschutzes zu etablieren. Gemeinsam wird kontinuierlich an der Verbesserung des Hilfesystems gearbeitet, indem bspw. Verfahrensabläufe gut aufeinander abgestimmt oder Interventionsmaßnahmen weiterentwickelt werden. Der enge und regelmäßige Austausch bietet zudem die Möglichkeit, in der Praxis auftretende Fragen oder Probleme kurzfristig miteinander zu klären oder Lösungen zu erarbeiten. Das ermöglicht eine engmaschige Begleitung und Betreuung von Betroffenen.

Mit dem 2024 eingeführten Verfahren zum Hochrisikomanagement wurde ein neues Instrument des Gewaltschutzes etabliert. Dieses ermöglicht kurzfristige interdisziplinäre Fallkonferenzen, auf denen Schutzmaßnahmen für Betroffene besprochen und so frühzeitig ergriffen werden können. Dabei werden auch täterbezogene Maßnahmen gezielt in den Blick genommen.

Zu den teilnehmenden Institutionen an der AG 3 „Häusliche Gewalt“ gehört auch die Fachambulanz Gewalt, die Unterstützungsangebote für (potentielle) Täter:innen bereithalten und ein wichtiger Kooperationspartner in der Gewaltintervention ist.

Weitere Institutionen (Frauen*notruf) bieten Präventionsveranstaltungen für Schulen oder andere Einrichtungen an, um für das Thema geschlechtsspezifische Gewalt zu sensibilisieren.

Flächendeckende Präventionsangebote, die vor allem auf die Verantwortung der Täter:innen abzielen, finden sich in Lübeck leider noch nicht. Hier gibt es Nachholbedarf. Angebote und Maßnahmen sollen im Rahmen des Aktionsplans für die Umsetzung der Istanbul-Konvention entwickelt werden. Auch daran werden sich verschiedene Institutionen der AG 3 „Häusliche Gewalt“ aktiv beteiligen.

Der KPR kann die Thematik zudem möglicherweise öffentlichkeitswirksam unterstützen.

In der Tat ist von Seiten der Hansestadt Lübeck Täterarbeit bisher noch wenig im öffentlichen Bewusstsein gebracht worden. Ein Nachholbedarf wird hier gesehen.

Die angesprochenen Punkte der Bewusstseinsbildung als auch der Täterarbeit sind Teil der Istanbul Konvention und fallen in den Bereich der Prävention.

Der Bürgerschaftsbeschluss vom Mai dieses Jahres zur Aufstellung eines Aktionsplans zur Umsetzung der Istanbul Konvention benennt allerdings explizit die Erstellung eines ein Präventionskonzept gegen Gewalt an Frauen und Mädchen für Lübeck – und wird somit im nächsten Jahr unter Federführung des Frauenbüros hier in der Bürgerschaft vorgelegt werden.

Für die Erstellung dieses Aktionsplanes wird es verschiedene Workshops für die Fachexpertise und Verwaltung geben, unter Berücksichtigung der Bedarfe vulnerabler Gruppen.

Allerdings hat die HL ja bereits 2022 den 1. Aktionsplan Gleichstellung verabschiedet. Zwei Maßnahmen, die insbesondere unter dem Präventionsaspekt genannt werden sollten, sind die

  • Gender-Identitätsprojekte in Schulen mit freien Trägern (2.2) und
  • Förderung der Genderidentität in der Schulsozialarbeit (2.3.) mit Sozialkompetenztrainigs u.a.

Die Präventionsarbeit auszubauen, um Täter erst gar nicht entstehen zu lassen, steht dabei im Fokus.

Das Thema Täterarbeit selbst wird im angesprochenen Aktionsplan zur Umsetzung der Istanbul Konvention unter Einbindung der Lübecker Fach-Expertise Berücksichtigung finden.

Wichtig wird aber letztendlich auch sein, dass Männer, die überwiegend die Täter sind, das hat das aktuelle bundesweite Lagebild „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“, das in der letzten Woche veröffentlicht wurde,

  • dass Männer laut werden gegen Stimmen, die Gewalt gegen Frauen herunterspielen oder gar gutheißen.
  • Auch Männer können betroffene Frauen – ob in der Familie oder am Arbeitsplatzhelfen Zugang zu Hilfsangeboten zu finden.
  • Und nicht zuletzt müssen wir als Männer auch eigene Verhaltensweisen hinterfragen und sicherstellen, dass sie respekt- und verantwortungsvoll sind.

Frau Dr. Kentsch hat keine weitere Nachfrage. Der Vorsitzende bedankt sich für ihr Engagement.

Informationen
  • Veröffentlicht am:
    16.12.2024