Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung
der Aufstallung von Geflügel und anderen gehaltenen Vögeln
sowie das Verbot der Durchführung von Ausstellungen von Geflügel
zum Schutz gegen die Geflügelpest an die Geflügelhalter der Hansestadt Lübeck
Gemäß
Artikel 70 Abs.1 und 2 und Artikel 71 Abs.1 in Verbindung mit
Artikel 55 Abs.1 Buchstabe d und Artikel 61 Abs.1 Buchstaben a, f und i der Verordnung (EU) 2016/429 zu Tierseuchen;
werden folgende Anordnungen getroffen:
Anmerkungen:
Verzicht auf Anhörung
Auf eine vorherige Anhörung der betroffenen Geflügelhalter wird gem. § 87 Abs. 2 Nr. 4 LVwG verzichtet.
Öffentliche Bekanntgabe
Diese Allgemeinverfügung wird hiermit bekannt gegeben und gilt ab dem 31.12.2021 um 0:00 Uhr.
Begründung:
Am 30.12.2021 wurde in einem Hausgeflügelbestand im Landkreis Nordwestmecklenburg durch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) das Virus der hochpathogenen aviären Influenza vom Subtyp H5N1 nachgewiesen. Die Überwachungszone reicht bis in die Hansestadt Lübeck hinein.
Zuvor wurde das hochpathogene Influenzavirus seit Mitte Oktober 2021 bereits bei Wildvögeln in verschiedenen Landkreisen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Hamburg nachgewiesen.
Die hochpathogene aviäre Influenza, auch Geflügelpest genannt, ist eine anzeigepflichtige und daher staatlich bekämpfungspflichtige Tierseuche, die bei gehaltenen Vögeln und Wildvögeln nach teilweise schweren Erkrankungserscheinungen zu massenhaftem Verenden führen kann.
Laut Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) wird das Risiko weiterer Einträge von HPAIV H5 nach Deutschland, der Ausbreitung in Wasservogelpopulationen und des Eintrags in deutsche Nutzgeflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen als hoch eingestuft. Sofern eine weitere Ausbreitung des Virus vor allem in der Wildvogelpopulation erfolgt, kann nach Einschätzung des FLI vom 5.11.2020 die Aufstallung von Freilandgeflügel in betroffenen Regionen als wirksame Methode zur Verhinderung der Viruseinschleppung in Erwägung gezogen werden.
Nach § 13 Absatz 1 der Geflügelpest-Verordnung ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung des Geflügels an, soweit dies auf Grundlage einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist. Es ist zu befürchten, dass es durch infizierte Wildvögel vermehrt zu einer Einschleppung des Geflügelpestvirus in die Nutztierbestände kommt.
In Lübeck sind 530 Geflügelhaltungen registriert. Die Geflügeldichte ist zwar mit 47 Tieren/km2 nicht hoch, allerdings wird die überwiegende Anzahl des Geflügels in Auslauf- bzw. Freilandhaltung gehalten.
Außerdem ist Lübeck mit Ostseeküste, Elbe-Lübeck-Kanal, Trave, Wakenitz, Schlutuper Mühlenteich von Gewässern durchzogen, an bzw. auf denen sich wildlebende Wasservögel bevorzugt aufhalten.
Eine Begrenzung der Aufstallungsgebiete kommt daher für das Stadtgebiet Lübeck nicht in Betracht.
Aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung ist es auch erforderlich, Ausstellungen, Märkte und Veranstaltungen ähnlicher Art von Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögel anderer Arten zu verbieten. Gemäß § 4 Absatz 2 Viehverkehrsverordnung kann die zuständige Behörde Veranstaltungen beschränken oder verbieten, soweit dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist. Das Zusammentreffen von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte, die sich möglicherweise in der Inkubationszeit befinden sowie der Personenverkehr, birgt die große Gefahr, dass es zu einer massiven Verbreitung der Aviären Influenza kommt. Durch das Verbot wird die Verschleppungsgefahr durch Kontakte zwischen den Tieren unterschiedlicher Bestände und mit Personen, die möglicherweise in Kontakt mit Infektionsquellen gekommen sind, vermieden und unmittelbar minimiert. Diese Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen und daher auch verhältnismäßig. Mildere Maßnahmen als die angeordnete sind nicht geeignet, um den Kontakt von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte und unerkannten Infektionsquellen auf Ausstellungen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art zu verhindern. In Anbetracht der mit der Ausbreitung der Aviären Influenza verbundenen immensen Folgen für die betroffenen Tiere und Tierhalter sowie der wirtschaftlichen Schäden für die Geflügelwirtschaft muss das Interesse des Veranstalters zurückstehen.
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung für die Aufstallung von Geflügel sowie dem Verbot von Ausstellungen u. ä. von Geflügel und Tauben ist im öffentlichen Interesse geboten. Die Geflügelpest ist eine schnell fortschreitende, akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit der Kategorie A gemäß Artikel 5 Abs.1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit Artikel 9 Abs.1 Buchstabe a der VO(EU) 2016/429. In Nutzgeflügelbeständen kann die Krankheit zu erheblichen Verlusten führen. Es ist daher sicher zu stellen, dass auch während eines Widerspruchs- bzw. Klagverfahrens alle notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen rechtzeitig und wirksam durchgeführt werden können. Zur Verhinderung einer Einschleppung der Seuche in die Nutztierbestände bzw. der Verschleppung über Ausstellungen u. ä. ist es erforderlich, dass die vorgenannten Anordnungen sofort greifen. Die Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden sind höher einzuschätzen als persönliche Interessen Betroffener an der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs. Die Behörde muss ggfs. auch vor Beendigung von etwaigen Widerspruchs- oder Klageverfahren in der Lage sein, die zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit notwendigen Vorbeugemaßnahmen durchzusetzen.
Hinweise:
Diese Anordnung gilt bis auf weiteres.
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung.
Die Allgemeinverfügung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung zur Festlegung von vorbeugenden Biosicherheitsmaßnahmen bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln ist zu beachten.
Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 des Tiergesundheitsgesetzes handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig dieser Tierseuchenverfügung zuwiderhandelt.
Ordnungswidrigkeiten können mit einem der Schwere der Zuwiderhandlung angemessenen Bußgeld bis zu 30.000,00 Euro geahndet werden.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck -Der Bürgermeister, Bereich UNV, Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, Carl-Gauß-Str. 9, 23562 Lübeck oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.sh-kommunen.de-mail.de erhoben werden.
Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches beantragt werden. Der Antrag wäre beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in 24837 Schleswig, Brockdorff-Rantzau-Str. 13, zu stellen.
Lübeck, den 30.12.2021
Hansestadt Lübeck
Der Bürgermeister
Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz
Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung
Im Auftrag
gez. Dr. Tischbirek, ltd. Amtstierärztin
Zitierte Rechtsvorschriften