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Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung der Aufstallung von Geflügel und anderen gehaltenen Vögeln

Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung
der Aufstallung von Geflügel
und anderen gehaltenen Vögeln
sowie das Verbot der Durchführung von Ausstellungen von Geflügel
zum Schutz gegen die Geflügelpest an die Geflügelhalter der Hansestadt Lübeck

Gemäß

Artikel 70 Abs.1 und 2 und Artikel 71 Abs.1 in Verbindung mit

Artikel 55 Abs.1 Buchstabe d und Artikel 61 Abs.1 Buchstaben a, f und i der Verordnung (EU) 2016/429 zu Tierseuchen;

  • 13 Abs.1 und 2 der Geflügelpest-Verordnung;
  • 4 Abs. 2 der Viehverkehrsverordnung und
  • 1 Abs.3 des Ausführungsgesetzes zum Tiergesundheitsgesetz

werden folgende Anordnungen getroffen:

  1. Im gesamten Gebiet der Hansestadt Lübeck dürfen ab sofort Geflügel sowie in Gefangenschaft gehaltene Vögel

    a) ausschließlich in geschlossenen Ställen oder

    b) unter einer Vorrichtung, die aus einer überstehenden, nach oben gegen Einträge gesicherten dichten Abdeckung und mit einer gegen das Eindringen von Wildvögeln gesicherten Seitenbegrenzung bestehen muss (Schutzvorrichtung), gehalten werden.

    Unter „Geflügel“ werden gemäß Artikel 4 Nr.9 der VO (EU) 2016/429 Vögel eingruppiert, die zur Erzeugung von Fleisch, Konsumeiern und sonstigen Erzeugnissen, zur Wiederaufstockung von Wildbeständen und zur Zucht von Vögeln zu vorgenannten Zwecken. Dabei handelt es sich insbesondere um Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten und Gänse.
    „In Gefangenschaft gehaltene Vögel“ sind nach Artikel 4 Nr.10 der Verordnung (EU) 2016/429 Vögel, ausgenommen Geflügel, die aus anderen als den bei Geflügel genannten Gründen in Gefangenschaft gehalten werden, einschließlich derjenigen Vögel, die für Tierschauen, Wettflüge, Ausstellungen oder zur Zucht oder zum Verkauf gehalten werden.
  2. Die Durchführung von Ausstellungen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art von Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln ist verboten.
  3. Die Aufnahme von Geflügel und anderen gehaltenen Vögeln empfänglicher Arten über Märkte, Börsen oder mobile Händler ist verboten.
  4. Die sofortige Vollziehung der Ziffern 1 bis 3 dieser Allgemeinverfügung wird gemäß
    § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung angeordnet, soweit diese nicht bereits durch § 37 des Tiergesundheitsgesetzes gegeben ist.

Anmerkungen:

Verzicht auf Anhörung

Auf eine vorherige Anhörung der betroffenen Geflügelhalter wird gem. § 87 Abs. 2 Nr. 4 LVwG verzichtet.

Öffentliche Bekanntgabe

Diese Allgemeinverfügung wird hiermit bekannt gegeben und gilt ab dem 31.12.2021 um 0:00 Uhr.

Begründung:

Am 30.12.2021 wurde in einem Hausgeflügelbestand im Landkreis Nordwestmecklenburg durch das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) das Virus der hochpathogenen aviären Influenza vom Subtyp H5N1 nachgewiesen. Die Überwachungszone reicht bis in die Hansestadt Lübeck hinein.
Zuvor wurde das hochpathogene Influenzavirus seit Mitte Oktober 2021 bereits bei Wildvögeln in verschiedenen Landkreisen in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern sowie in Hamburg nachgewiesen.
Die hochpathogene aviäre Influenza, auch Geflügelpest genannt, ist eine anzeigepflichtige und daher staatlich bekämpfungspflichtige Tierseuche, die bei gehaltenen Vögeln und Wildvögeln nach teilweise schweren Erkrankungserscheinungen zu massenhaftem Verenden führen kann.
Laut Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) wird das Risiko weiterer Einträge von HPAIV H5 nach Deutschland, der Ausbreitung in Wasservogelpopulationen und des Eintrags in deutsche Nutzgeflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen als hoch eingestuft. Sofern eine weitere Ausbreitung des Virus vor allem in der Wildvogelpopulation erfolgt, kann nach Einschätzung des FLI vom 5.11.2020 die Aufstallung von Freilandgeflügel in betroffenen Regionen als wirksame Methode zur Verhinderung der Viruseinschleppung in Erwägung gezogen werden.
Nach § 13 Absatz 1 der Geflügelpest-Verordnung ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung des Geflügels an, soweit dies auf Grundlage einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist. Es ist zu befürchten, dass es durch infizierte Wildvögel vermehrt zu einer Einschleppung des Geflügelpestvirus in die Nutztierbestände kommt.
In Lübeck sind 530 Geflügelhaltungen registriert. Die Geflügeldichte ist zwar mit 47 Tieren/km2 nicht hoch, allerdings wird die überwiegende Anzahl des Geflügels in Auslauf- bzw. Freilandhaltung gehalten.
Außerdem ist Lübeck mit Ostseeküste, Elbe-Lübeck-Kanal, Trave, Wakenitz, Schlutuper Mühlenteich von Gewässern durchzogen, an bzw. auf denen sich wildlebende Wasservögel bevorzugt aufhalten.
Eine Begrenzung der Aufstallungsgebiete kommt daher für das Stadtgebiet Lübeck nicht in Betracht.
Aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung ist es auch erforderlich, Ausstellungen, Märkte und Veranstaltungen ähnlicher Art von Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögel anderer Arten zu verbieten. Gemäß § 4 Absatz 2 Viehverkehrsverordnung kann die zuständige Behörde Veranstaltungen beschränken oder verbieten, soweit dies aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung erforderlich ist. Das Zusammentreffen von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte, die sich möglicherweise in der Inkubationszeit befinden sowie der Personenverkehr, birgt die große Gefahr, dass es zu einer massiven Verbreitung der Aviären Influenza kommt. Durch das Verbot wird die Verschleppungsgefahr durch Kontakte zwischen den Tieren unterschiedlicher Bestände und mit Personen, die möglicherweise in Kontakt mit Infektionsquellen gekommen sind, vermieden und unmittelbar minimiert. Diese Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen und daher auch verhältnismäßig. Mildere Maßnahmen als die angeordnete sind nicht geeignet, um den Kontakt von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte und unerkannten Infektionsquellen auf Ausstellungen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art zu verhindern. In Anbetracht der mit der Ausbreitung der Aviären Influenza verbundenen immensen Folgen für die betroffenen Tiere und Tierhalter sowie der wirtschaftlichen Schäden für die Geflügelwirtschaft muss das Interesse des Veranstalters zurückstehen.

Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung:

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung für die Aufstallung von Geflügel sowie dem Verbot von Ausstellungen u. ä. von Geflügel und Tauben ist im öffentlichen Interesse geboten. Die Geflügelpest ist eine schnell fortschreitende, akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit der Kategorie A gemäß Artikel 5 Abs.1 Buchstabe a Ziffer iv in Verbindung mit Artikel 9 Abs.1 Buchstabe a der VO(EU) 2016/429.  In Nutzgeflügelbeständen kann die Krankheit zu erheblichen Verlusten führen. Es ist daher sicher zu stellen, dass auch während eines Widerspruchs- bzw. Klagverfahrens alle notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen rechtzeitig und wirksam durchgeführt werden können. Zur Verhinderung einer Einschleppung der Seuche in die Nutztierbestände bzw. der Verschleppung über Ausstellungen u. ä. ist es erforderlich, dass die vorgenannten Anordnungen sofort greifen. Die Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden sind höher einzuschätzen als persönliche Interessen Betroffener an der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs. Die Behörde muss ggfs. auch vor Beendigung von etwaigen Widerspruchs- oder Klageverfahren in der Lage sein, die zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit notwendigen Vorbeugemaßnahmen durchzusetzen.

Hinweise:

Diese Anordnung gilt bis auf weiteres.

Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung.

Die Allgemeinverfügung des Ministeriums für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Natur und Digitalisierung zur Festlegung von vorbeugenden Biosicherheitsmaßnahmen bei in Gefangenschaft gehaltenen Vögeln ist zu beachten.

Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 des Tiergesundheitsgesetzes handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig dieser Tierseuchenverfügung zuwiderhandelt.
Ordnungswidrigkeiten können mit einem der Schwere der Zuwiderhandlung angemessenen Bußgeld bis zu 30.000,00 Euro geahndet werden.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck -Der Bürgermeister, Bereich UNV, Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, Carl-Gauß-Str. 9, 23562 Lübeck oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.sh-kommunen.de-mail.de  erhoben werden.

Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches beantragt werden. Der Antrag wäre beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in 24837 Schleswig, Brockdorff-Rantzau-Str. 13, zu stellen.

Lübeck, den 30.12.2021                                                                                             
Hansestadt Lübeck
Der Bürgermeister
Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz
Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung

Im Auftrag
gez. Dr. Tischbirek, ltd. Amtstierärztin

Zitierte Rechtsvorschriften


  • Verordnung (EU) 2016/429 vom 09.03.2016 zu Tierseuchen (Tiergesundheitsrechtsakt) (ABl.
    EU L 84, S. 1), zuletzt geändert durch die Delegierte Verordnung 2018/1629 vom 25.07.2018
    (Abl. EU L272, S. 11)

    • Gesetz zur Vorbeugung und Bekämpfung von Tierseuchen (Tiergesundheitsgesetz –
    TierGesG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21.11.2018 (BGBl. I S. 1938),
    zuletzt geändert durch Artikel 104 des Gesetzes vom 10.08.2021 (BGBl. I S. 3436)

    • Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (Geflügelpest-Verordnung) in der
    Fassung der Bekanntmachung vom 15.10.2018 (BGBl. I S. 1665, 2664)

    • Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr
    (Viehverkehrsverordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.05.2020 (BGBl. I. S.
    1170)

    • Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19.03.1991
    (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 08.10.2021 (BGBl. I S.
    4650)

    • Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz
    – LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.06.1992 (GVOBl.
    Schl.-H. S. 243, 534), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 26.02.2021 (GVOBl.
    Schl.-H. S. 222)

    • Gesetz zur Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes (AGTierGesG) vom 16.07.2014
    (GVOBl. Schl.-H. S. 141), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 08.01.2020
    (GVOBl. Schl.-H. S. 3)
Informationen
  • Veröffentlicht am:
    30.12.2021