Allgemeinverfügung der Hansestadt Lübeck
über die Anordnung zur Absonderung (Isolation oder Quarantäne) wegen einer Infektion durch das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) oder der Einstufung als enge Kontaktperson in einer geeigneten Häuslichkeit
Gemäß §§ 28a Absatz 1, 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 30 Absatz 1 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit § 106 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:
a) die Kenntnis davon haben, dass eine nach Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung bei ihnen vorgenommene molekularbiologische Untersuchung auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-Viren ein positives Ergebnis aufweist (positiv getestete Personen)
oder
b) die Kenntnis davon haben, dass ein nach Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung durch geschultes Personal durchgeführter SARS-CoV-2 Antigenschnelltest (PoC-Test) auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-Viren ein positives Ergebnis aufweist
oder
c) die Kenntnis davon haben, dass sie nach den Vorgaben des Robert-Koch Institutes (RKI) als enge Kontaktperson einzustufen sind; ausgenommen sind enge Kontaktpersonen im Bereich der Kindertageseinrichtungen und Kinderpflegestellen sowie Schulen nach § 33 Ziff. 1-3 IfSG
oder
d) denen vom Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck mitgeteilt wurde, dass aufgrund einer bei ihnen vorgenommenen molekularbiologischen Untersuchung das Vorhandensein von SARS-CoV-2-Viren nachgewiesen wurde (positiv getestete Personen)
oder
e) die davon Kenntnis haben, dass ein nach Inkrafttreten dieser Allgemeinverfügung selbst oder durch nicht geschultem Personal vorgenommener SARS-CoV-2 Antigenschnelltest („Selbsttest“) auf das Vorhandensein von SARS-CoV-2-Viren ein positives Ergebnis aufweist,
sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnisnahme auf direktem Weg in ihre Häuslichkeit zu begeben und sich bis zum in Ziffer 6 festgesetzten Zeitpunkt ständig dort abzusondern/aufzuhalten (häusliche Isolation/Quarantäne).
Die Pflicht zur Absonderung nach Ziffer 1c) (enge Kontaktpersonen) gilt nicht für geimpfte und genesene Personen nach Maßgabe der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmeverordnung. Die Ausnahme nach Satz 2 gilt nicht, wenn die Pflicht zur Absonderung besteht wegen des Kontakts zu einer Person, die mit einer in Deutschland noch nicht verbreitet auftretenden Virusvariante des Coronavirus SARS-CoV-2 mit vom RKI definierten besorgniserregenden Eigenschaften infiziert ist und die genesene oder geimpfte Person Kenntnis von diesem Umstand hat.
Folgende Daten müssen mitgeteilt werden:
Die Pflicht zur Meldung besteht nicht, wenn eine nach § 8 IfSG gesetzlich zur Meldung verpflichtete Person die Meldung vornimmt.
Kontaktdaten des Gesundheitsamtes:
Nutzen Sie bitte vorzugsweise die Kontaktmöglichkeit per E-Mail.
eMail: corona@luebeck.de
Telefon: 0451/122 2676 Montags - freitags 8 - 19 Uhr
Samstags 10 - 16 Uhr
Begründung:
Rechtsgrundlage für die getroffenen Maßnahmen ist §§ 28a Absatz 1, 28 Absatz 1 i.V.m § 30 Absatz 1 Satz 2 IfSG und dem Runderlass des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren vom 14.05.2021 (VIII PG ÖGD T – 106740/2020) in Verbindung mit § 106 Abs. 2 LVwG. Nach §§ 28a Absatz 1, 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Nach § 28a Absatz 1, 28 Absatz 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde Veranstaltungen einer größeren Anzahl von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 IfSG genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen; sie kann auch Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind.
Nach § 31 IfSG kann die zuständige Behörde Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagen. Dies gilt auch für sonstige Personen, die Krankheitserreger so in oder an sich tragen, dass im Einzelfall die Gefahr einer Weiterverbreitung besteht.
Bei der Erkrankung durch das neuartige Coronavirus handelt es sich um eine Krankheit, die durch Krankheitserreger (Viren) verursacht wird, welche durch Tröpfcheninfektion von Mensch-zu-Menschen übertragen werden. Eine Übertragung ist durch Tröpfcheninfektion mit an dem neuartigen Coronavirus Erkrankten oder durch den Kontakt mit deren Erbrochenem, Stuhlgang oder anderen Körperflüssigkeiten möglich. Da derzeit weder ein hinreichender Schutz der Bevölkerung durch Impfen, noch ein in Deutschland zur Behandlung zugelassenes Medikament zur Behandlung zur Verfügung steht, kommt der Verhinderung der Ansteckung Gesunder durch das Virus besondere Bedeutung zu.
Kranker im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG ist eine Person, die an einer übertragbaren Krankheit erkrankt ist. Es handelt sich um eine meldepflichtige Erkrankung auf Infektionen mit dem erstmals im Dezember 2019 in Wuhan/Volksrepublik China aufgetretenen neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG i.V.m. § 1 Absatz 1 Satz 1 Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und § 7 Absatz 1 Satz 1 IfSG, die als hoch ansteckend gilt.
Gemäß § 2 Nr. 7 IfSG gilt eine Person als Ansteckungsverdächtiger, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein.
Personen, die gemäß der RKI-Vorgaben als enge Kontaktpersonen einzustufen sind, gelten durch den Kontakt zu einer an dem neuartigen Coronavirus erkrankten Person als ansteckungsverdächtig. Eine konkrete Definition kann beim RKI abgerufen werden unter:
www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/Management.html
Um die Ausbreitung dieser Krankheit wirksam eindämmen zu können, räumt das IfSG den zuständigen Behörden sehr umfassende Rechte ein, konkrete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr anzuordnen. Dazu zählen insbesondere:
Das IfSG sieht in den §§ 28 – 30 ausdrücklich vor, dass die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 Grundgesetz) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz) eingeschränkt werden dürfen.
Die Anordnung, sich in ihrer Häuslichkeit aufzuhalten und diese ohne Genehmigung nicht zu verlassen, ist aufgrund der bei den unter der Ziffer 1a) bis 1e) genannten Personen festgestellten Infektion oder der Tatsache, dass diese als Ansteckungsverdächtige gemäß RKI Vorgaben einzustufen sind, zum Schutze der Allgemeinheit geeignet und erforderlich, um die Verbreitung des neuartigen Coronavirus wirksam zu bekämpfen und um eine Ausbreitung zu verhindern. Nach § 30 Absatz 1 Satz 2 IfSG können ansteckungsverdächtige Personen „in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden“. Die Absonderung der eigenen („ihrer“) Häuslichkeit ist erforderlich, um eine Nachprüfbarkeit der Vorgaben sowie der Angaben sicherzustellen und die Kontaktaufnahme für eventuelle weitere Anordnungen durchführen zu können.
Wissenschaftliche Erkenntnisse belegen, dass geimpfte und genesene Personen auch für andere nicht (mehr) ansteckend sind oder das Restrisiko einer Weiterübertragung erheblich gemindert ist. Daher sind für diese Personengruppen Erleichterungen und Ausnahmen von Schutzmaßnahmen in der Covid-19-Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung (SchAusnahmV) vorgesehen. Sofern auf Grund des fünften Abschnitts des IfSG erlassenes Landesrecht eine Pflicht zur Absonderung vorsieht, gilt diese gemäß § 10 Absatz 1 SchAusnahmV nicht für geimpfte und genesene Personen. Mit Ausnahme der in § 10 Absatz 2 SchAusnahmV geregelten Fallkonstellation (besorgniserregende Virusvariante) sind Geimpfte und Genesene nach Kontakt zu einer infizierten Person daher nicht mehr absonderungspflichtig. Die für Genesene und Geimpfte festgesetzten Erleichterungen und Ausnahmen gelten jedoch nicht, wenn typische Symptome einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 aufgewiesen werden oder wenn eine aktuelle Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 nachgewiesen ist, vgl. § 1 Absatz 3 Nr. 1 und 2 SchAusnahmV.
Die Verpflichtung zur Meldung beim zuständigen Gesundheitsamt der Hansestadt Lübeck nach positivem Testergebnis gilt nur für die in Ziffer 1a) bis 1c) genannten Personen. Selbsttester sind hiervon zunächst ausgenommen. Selbsttester sind verpflichtet, ein positives Testergebnis durch einen PCR-Test bestätigen zu lassen. Ist auch dieses Ergebnis positiv, sind die Personen ebenso nach Ziffer 2 meldepflichtig.
Keine Meldepflicht besteht für die in Ziffer 1a) bis 1c) genannten Personen, soweit eine gesetzlich zur Meldung verpflichtete Person die Meldung vornimmt. Dies umfasst insbesondere Ärzte (§ 8 Absatz Nr.1 IfSG) oder Apotheker (§ 8 Absatz 1 Nr. 5 IfSG) sowie bei der Anwendung patientennaher Schnelltests bei Dritten die feststellende Person, wenn sie nach § 24 Satz 2 oder aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 24 Satz 3 Nr. 1 IfSG zu solchen Schnelltests befugt ist.
Die in Ziffer 1b) und 1e) genannten Personen werden in Ziffer 3 verpflichtet, das Testergebnis unverzüglich durch eine molekularbiologische Untersuchung (PCR-Test) bestätigen zu lassen. Alternativ soll die Möglichkeit der 14-tägigen Absonderung als milderes Mittel im Vergleich zum (geringfügigen) körperlichen Eingriff bestehen bleiben (kein Zwang zur Testung). Ein vorzeitiges Ende der Absonderung ist nur durch die Bestätigung eines negativen PCR-Ergebnisses möglich.
Für die in Ziffer 1a), 1b) und 1c) genannten Personen kann das Testzentrum oder die Teststation auf Anforderung des Gesundheitsamtes einen Nachweis über Zeitpunkt und Anlass der Testung zur Verfügung stellen.
Regelungen zur Absonderung oder Testung aufgrund landes- oder bundesrechtlicher Vorschriften bleiben unberührt.
Vor dem Hintergrund der sehr dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2 Virus und der festgestellten hochansteckenden Virusvariationen sowie Erkrankungen an COVID-19 müssen unverzüglich umfängliche wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen sind dazu dringend notwendig, um im Interesse des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung der wesentlichen Funktionen des Gesundheitssystems sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Schleswig-Holstein soweit wie möglich sicherzustellen. Die großflächige Unterbrechung, Eindämmung bzw. Verzögerung der Ausbreitung des neuen Erregers im Land stellt – über die bereits ergriffenen Maßnahmen hinaus - das einzig wirksam Vorgehen dar, um diese Ziele zu erreichen.
Die Erfahrungen während der bisherigen Wellen der COVID-19-Pandemie haben gezeigt, dass Viruseinträge in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen sowie Schulen üblicherweise nicht zu größeren Ausbrüchen führen und die Kinder und Jugendlichen nicht schwer erkranken. Mit der Fokussierung auf die Infizierten werden diejenigen Personen isoliert, die infektiös sind, Infektionsketten können auf diese Weise unterbrochen werden. Im Bereich der Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflegestellen sowie Schulen im Sinne des § 33 Ziff. 1 bis 3 IfSG kann die nach Ziff. 1c) vorgesehene Absonderungspflicht im Einzelfall aufgrund einer Risikobewertung durch die zuständigen Stellen erfolgen.
Das Kontaktpersonenmanagement erfolgt risikoadaptiert und wird auf vulnerable Personengruppen und risikoträchtige Ereignisse fokussiert.
Diese Allgemeinverfügung gilt ab dem 18.08.2021 (00:00 Uhr) bis einschließlich 31.10.2021 (24.00 Uhr). Eine Verlängerung ist möglich.
Die Allgemeinverfügung findet ihre Grundlage in §§ 28a Absatz 1, 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 IfSG. Zuwiderhandlungen sind daher bußgeldbewehrt nach § 75 Absatz 1 Nr. 1 IfSG.
Die Anordnung ist gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Maßnahmen haben keine aufschiebende Wirkung.
Hinweise:
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck, vertreten durch den Bürgermeister, Bereich Gesundheitsamt, Sophienstraße 2-8, 23560 Lübeck einzulegen oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.sh-kommunen.de-mail.de.
Widerspruch und Anfechtungsklage gegen diese Allgemeinverfügung haben keine aufschiebende Wirkung. Daher muss auch bei Einlegung eines Rechtsbehelfs, den Anordnungen Folge geleistet werden.
Auf Antrag kann das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, Brockdorff-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen.
Lübeck, den 17.08.2021
gez.
Jan Lindenau
Bürgermeister