Allgemeinverfügung der Hansestadt Lübeck über Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet der Hansestadt Lübeck
hier:
Maßnahmen aufgrund der Überschreitung des Inzidenzwertes von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohnende in den letzten sieben Tagen
Gemäß §§ 28a Abs.1, § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Erlass des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren vom 19.03.2021 sowie § 106 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz – LVwG) wird folgende Allgemeinverfügung erlassen:
Begründung:
Rechtsgrundlage für die getroffene Maßnahme ist § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie § 28a Abs.1 Nr. 2 lfSG i.V.m. mit dem Erlass des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren vom 19.03.2021 (VIII 40 23141/2020) über Ergänzende Maßnahmen bei Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnende.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG trifft die zuständige Behörde in dem Fall, dass Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder es sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 28a Abs. 1 und 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Die sehr weite Eingriffsermächtigung des § 28 Abs. 1 Satz 1 lfSG beschränkt sich nicht allein auf Maßnahmen gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen oder Ausscheidern, sondern wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt, dürfen auch „Nichtstörer", d.h. Personen bei denen noch nicht einmal ein Ansteckungsverdacht besteht, in Anspruch genommen werden.
Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der verfügten Beschränkung ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Schadens umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 lfSG) sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen unterschiedlich sind.
Angesichts dessen ist ein am Gefährdungsgrad der jeweiligen Krankheit orientierter flexibler Maßstab heranzuziehen. Nach der Einschätzung des vom Gesetzgeber in § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 lfSG hierzu vorrangig berufenen Robert-Koch-Institutes wird die Gefährdung der Gesundheit der Bevölkerung derzeit als insgesamt als hoch eingeschätzt. Es handelt sich danach nicht um eine mit einer Grippeepidemie vergleichbare Situation, sondern es liegt eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Lage vor.
In der Hansestadt Lübeck liegt die Anzahl der Neuinfektionen weiter auf einem hohen Niveau. Die 7-Tage-Inzidenz am 07.04.2021 (RKI-Dashboard, 03:08 Uhr) lag bei 61,9. An den vorangegangenen drei Tagen lag der Inzidenzwert ebenfalls über 50. Infolgedessen ist die Hansestadt Lübeck auf der Grundlage des Erlasses vom 19.03.2021 gehalten, die Allgemeinverfügung ab 12.04.2021 um eine weitere Woche zu verlängern. Die Einschränkungen sind gerechtfertigt, um einer weiteren rasanten Verbreitung des Virus, insbesondere der Virusvarianten, entgegenzutreten, die in der Hansestadt Lübeck den deutlich überwiegenden Teil der Neuinfektionen ausmachen. Es ist zudem weiter eine Viruszirkulation auf Bevölkerungsebene festzustellen, insofern Hotspots oder Cluster für gezielte Eingriffsmaßnahmen nicht feststellbar sind.
Die Hansestadt Lübeck ist deshalb angesichts der Dynamik des Infektionsgeschehens aus Gründen des Gesundheitsschutzes und Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems gehalten, weitergehende kontaktbeschränkende Maßnahmen zu verfügen, um nicht nur das Ansteigen des Inzidenzwertes zu vermeiden, sondern zu einer nachhaltigen Senkung zu kommen. Die Maßnahmen sind verhältnismäßig in Abwägung des Eingriffs in die Freiheitsrechte und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Zu 1.) und 2.)
Diese Regelungen zielen darauf ab, die Anzahl der Personen, die sich gleichzeitig in einer Verkaufsstelle oder einer Freizeit- und Kultureinrichtung aufhalten, zu verringern. Gleichzeitig sollen diese Einrichtungen und Verkaufsstellen im Sinne der Verhältnismäßigkeit noch nicht vollständig geschlossen werden. Die Anordnung zur Verarbeitung von Kontaktdaten entsprechend § 4 Absatz 2 der CoronaBekämpfVO erfolgt auf Grundlage der Ermächtigung aus § 28 Absatz 1, Satz 1, 28a Absatz 1, Satz 1 Nummer 17 und § 16 IfSG. Bei der Terminreservierung in den Ziffern 1 und 2 genügt es, wenn die Reservierung vor Ort unmittelbar vor Betreten des Geschäfts oder der Einrichtung erfolgt.
Somit stellen die Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1, § 28a Abs. 1 IfSG eine notwendige Schutzmaßnahme zum Schutze der Allgemeinheit vor einer weiteren unkontrollierten Weiterverbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus und der Mutationen in der Bevölkerung dar und dienen einem möglichst weitgehenden Gesundheitsschutz.
Zu 3.)
Auch wenn die Inzidenz von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von drei aufeinander folgenden Tagen unterschritten wird, tritt diese Allgemeinverfügung frühestens mit Ablauf der Geltungswoche außer Kraft.
Die Maßnahmen sind auf einen Zeitraum von längstens 7 Tagen zu befristen, um den Eingriff in die Freiheitsrechte gering zu halten und danach zu prüfen, ob die Maßnahmen eine anhaltende Wirkung zur Senkung des Inzidenzwertes entfaltet haben. Gleichwohl ist eine Verlängerung möglich, sollte die Inzidenzlage nicht an drei hintereinander folgenden Tagen nicht auf einen Inzidenzwert auf unter 50 sinken.
Diese Allgemeinverfügung gilt vom 13.04.2021 bis zum 19.04.2021.
Zuwiderhandlungen sind nach § 73 Absatz 1a Nr. 6 IfSG i.V.m. § 21 Abs. 1 und Abs. 2 Corona-BekämpfVO bußgeldbewehrt.
Die Anordnung ist gemäß § 28 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 8 IfSG sofort vollziehbar. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Allgemeinverfügung haben keine aufschiebende Wirkung.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch ist schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck, vertreten durch den Bürgermeister, Bereich Gesundheitsamt, Sophienstraße 2-8, 23560 Lübeck einzulegen oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.sh-kommunen.de-mail.de.
Auf Antrag kann das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht, Brockdorff-Rantzau-Straße 13, 24837 Schleswig, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ganz oder teilweise anordnen.
Lübeck, den 09.04.2021
Jan Lindenau
Bürgermeister