Tierseuchenrechtliche Allgemeinverfügung über die Anordnung der Aufstallung von Geflügel und das Verbot der Durchführung von Ausstellungen von Geflügel zum Schutz gegen die Geflügelpest an die Geflügelhalter der Hansestadt Lübeck
Gemäß § 13 Abs.1 in Verbindung mit Abs. 2 sowie § 65 der Geflügelpest-Verordnung und § 4 Absatz 2 der Viehverkehrsverordnung in Verbindung mit den Abschnitten 2, 8 und 10 des Tiergesundheitsgesetzes in Verbindung mit dem Gesetz zur Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes, der §§ 173, 174, 176, 228, 229, 235 - 237, 249 Landesverwaltungsgesetz wird zur Vermeidung des Eintrages der Geflügelpest in Geflügelbestände durch Wildvögel folgendes angeordnet:
Im gesamten Gebiet der Hansestadt Lübeck dürfen ab sofort Hühner, Truthühner, Perlhühner, Rebhühner, Fasane, Laufvögel, Wachteln, Enten oder Gänse (Geflügel) ausschließlich
Anmerkungen:
Verzicht auf Anhörung
Auf eine vorherige Anhörung der betroffenen Geflügelhalter wird gem. § 87 Abs. 2 Nr. 4 LVwG verzichtet.
Öffentliche Bekanntgabe
Diese Allgemeinverfügung wird hiermit bekannt gegeben und gilt ab 11.11.2020.
Einsichtnahme
Die Allgemeinverfügung nebst Begründung kann beim Amtstierärztlichen Dienst der Hansestadt Lübeck eingesehen werden.
Begründung:
Die hochpathogene aviäre Influenza, auch Geflügelpest genannt, ist eine anzeigepflichtige und daher staatlich bekämpfungspflichtige Tierseuche, die bei gehaltenen Vögeln und Wildvögeln nach teilweise schweren Erkrankungserscheinungen zu massenhaftem Verenden führen kann. Aktuell liegen Nachweise von HPAIV H5 bei Wildvögeln in insgesamt sieben Kreisen und einer kreisfreien Stadt an Nordsee, Ostsee sowie dem Binnenland vor. Die Nachweise von HPAIV H5 bei Wildvögeln sind nicht mehr auf Gebiete beschränkt, in denen sich wild lebende Wasservögel sammeln und rasten. Mit den Nachweisen von hochpathogenem aviären Influenzvirus vom Subtyp H5N8 bzw. H5N5 in mehreren Kreisen in Schleswig-Holstein sowie in Hamburg bei verschiedenen Wildvogelarten ist belegt, dass das Virus in der hiesigen Wildvogelpopulation vorhanden ist. Die weitere Verbreitung durch Wildvögel, insbesondere durch aasfressende und/oder infizierte, aber nicht erkrankte Wildvögel, auch auf das Gebiet der Hansestadt Lübeck ist sehr wahrscheinlich. In zwei Fällen ist es in Schleswig-Holstein bereits zu einem Eintrag des Geflügelpest-Erregers in Hausgeflügelbestände gekommen.
Laut Risikoeinschätzung des Friedrich-Löffler-Institutes (FLI) wird das Risiko weiterer Einträge von HPAIV H5 nach Deutschland, der Ausbreitung in Wasservogelpopulationen und des Eintrags in deutsche Nutzgeflügelhaltungen und Vogelbestände in zoologischen Einrichtungen als hoch eingestuft. Sofern eine weitere Ausbreitung des Virus vor allem in der Wildvogelpopulation erfolgt, kann nach Einschätzung des FLI vom 5.11.2020 die Aufstallung von Freilandgeflügel in betroffenen Regionen als wirksame Methode zur Verhinderung der Viruseinschleppung in Erwägung gezogen werden.
Nach § 13 Absatz 1 der Geflügelpest-Verordnung ordnet die zuständige Behörde die Aufstallung des Geflügels an, soweit dies auf Grundlage einer Risikobewertung zur Vermeidung der Einschleppung oder Verschleppung der Geflügelpest durch Wildvögel erforderlich ist. Es ist zu befürchten, dass es durch infizierte Wildvögel zu einer Einschleppung des Geflügelpestvirus in die Nutztierbestände kommt.
Aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung ist es auch erforderlich, Ausstellungen, Märkte und Veranstaltungen ähnlicher Art von Geflügel und in Gefangenschaft gehaltenen Vögel anderer Arten zu verbieten. Das Zusammentreffen von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte, die sich möglicherweise in der Inkubationszeit befinden sowie der Personenverkehr, birgt die große Gefahr, dass es zu einer massiven Verbreitung der Aviären Influenza kommt. Durch das Verbot wird die Verschleppungsgefahr durch Kontakte zwischen den Tieren unterschiedlicher Bestände und mit Personen, die möglicherweise in Kontakt mit Infektionsquellen gekommen sind, vermieden und unmittelbar minimiert. Diese Maßnahme ist geeignet, erforderlich und angemessen und daher auch verhältnismäßig. Mildere Maßnahmen als die angeordnete sind nicht geeignet, um den Kontakt von Vögeln unterschiedlicher Herkünfte und unerkannten Infektionsquellen auf Ausstellungen, Märkten und Veranstaltungen ähnlicher Art zu verhindern. In Anbetracht der mit der Ausbreitung der Aviären Influenza verbundenen immensen Folgen für die betroffenen Tiere und Tierhalter sowie der wirtschaftlichen Schäden für die Geflügelwirtschaft muss das Interesse des Veranstalters zurückstehen.
Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung:
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung für die Aufstallung von Geflügel sowie dem Verbot von Ausstellungen u. ä. von Geflügel und Tauben ist im öffentlichen Interesse geboten. Die Geflügelpest ist eine schnell fortschreitende, akut verlaufende und leicht übertragbare Viruskrankheit, welche in Nutzgeflügelbeständen zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten führen kann. Es ist daher sicher zu stellen, dass auch während eines Widerspruchs- bzw. Klagverfahrens alle notwendigen Bekämpfungsmaßnahmen rechtzeitig und wirksam durchgeführt werden können. Zur Verhinderung einer Einschleppung der Seuche in die Nutztierbestände bzw. der Verschleppung über Ausstellungen u. ä. ist es erforderlich, dass die vorgenannten Anordnungen sofort greifen. Die Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden sind höher einzuschätzen als persönliche Interessen Betroffener an der aufschiebenden Wirkung eines eingelegten Rechtsbehelfs. Die Behörde muss ggfs. auch vor Beendigung von etwaigen Widerspruchs- oder Klageverfahren in der Lage sein, die zur Aufrechterhaltung der Tiergesundheit notwendigen Vorbeugemaßnahmen durchzusetzen.
Hinweise:
Diese Anordnung gilt bis auf weiteres.
Der Widerspruch hat keine aufschiebende Wirkung.
Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 4 des Tiergesundheitsgesetzes handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig dieser Tierseuchenverfügung zuwiderhandelt.
Ordnungswidrigkeiten können mit einem der Schwere der Zuwiderhandlung angemessenen Bußgeld bis zu 30.000,00 Euro geahndet werden.
Auf die Verhaltensregeln zum Schutz von Geflügelbetrieben „Gefahr Geflügelpest - Wie schütze ich meine Tiere?“ des Landes Schleswig-Holstein wird verwiesen.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Verfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden. Der Widerspruch kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Hansestadt Lübeck -Der Bürgermeister, Bereich UNV, Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung, Carl-Gauß-Str. 9, 23562 Lübeck oder durch De-Mail in der Sendevariante mit bestätigter sicherer Anmeldung nach § 5 Abs. 5 DE-Mail-Gesetz an info@luebeck.de-mail.de erhoben werden.
Gegen die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches beantragt werden. Der Antrag wäre beim Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht in 24837 Schleswig, Brockdorff-Rantzau-Str. 13, zu stellen.
Der Bürgermeister der Hansestadt Lübeck,
vertreten durch den Bereich Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz, Abteilung Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung
Im Auftrag
gez. Dr. Tischbirek
-ltd. Amtstierärztin-
Verwendete Rechtsgrundlagen:
Tiergesundheitsgesetz vom 21.11.2018 (BGBl. I S. 1938);
Verordnung zum Schutz gegen die Geflügelpest (Geflügelpest-Verordnung) vom 15.10.2018 (BGBl. I S. 1665, 2664);
Verordnung zum Schutz gegen die Verschleppung von Tierseuchen im Viehverkehr (Viehverkehrsverordnung – ViehVerkV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 26.05.2020 (BGBl. I S. 1170);
Gesetz zur Ausführung des Tiergesundheitsgesetzes (AGTierGesG) vom 16.07.2014 (GVOBl. S. 141);
Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), zuletzt geändert am 15. August 2019 (BGBl. I S. 1294);
Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG -) in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juni 1992, zuletzt geändert am 13.02.2019, GVOBl. S. 42; De-Mail-Gesetz vom 28. April 2011 (BGBl. I S. 666), zuletzt geändert am 21. Juni 2019 (BGBl. I S. 846)